SK4

Schüler:innen der Kurt-Tucholsky-Oberschule verarbeiten künstlerisch den ersten Lockdown

Gerne allein sein, aber sich nicht einsam fühlen. Ruhe und Rückzugsorte finden und trotzdem Teil eines Kollektivs sein. Geht das? Schüler:innen der Kurt-Tucholsky-Oberschule stellen sich performativ die Aufgabe, eine Gemeinschaft zu gründen, in der mensch gemeinsam das Alleinsein genießen und hierbei auch noch Halt in einer Gruppe finden kann.

Schüler:innen des DS-Kurses setzen sich mit Erfahrungen aus dem ersten Lockdown (Frühjahr 2020) auseinander. Aufgabe ist es, eine fiktive Vereinigung zu gründen, die Bezug auf die Erfahrungen der Pandemie nimmt. Die Vorgaben sind bewusst spärlich: Einen Verein gründen mit Verweis auf das eigene Erleben im Lockdown, Vereinsstatuten festlegen und Vereinshistorie festhalten sowie eine eigene Biografie mit einem Geheimnis und einem Wunsch entwickeln.
Die Alleingemeinschaft: „Gemeinsam allein gegen Einsamkeit“
Überraschenderweise entsteht daraus nicht eine Gruppe Verlassener, sondern „Die Alleingemeinschaft“ (DAG) oder auch „Sola Civitas“. Diese zeichnet sich durch Folgendes aus: Die „Sola Civitas“ sind gerne allein, gerade unter Coronabedingungen, denn ihr Zuhause mit den immer gleichen Menschen empfinden sie als anstrengend. Sie erfreuen sich deshalb an der Ruhe im Allein-sein. Sie haben sich eigene Regeln gegeben und gehen mit sich selbst in Klausur, wohlwissend, sich dennoch hin und wieder in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten treffen zu können. Das Alleinsein –nicht zu verwechseln mit Einsamkeit –gibt ihnen die Möglichkeit, aus ihrem Hamsterrad auszusteigen und über die Welt und ihre Herausforderungen nachzudenken. Motto: „Besser allein als gemeinsam einsam.“ Entstanden sind inzwischen auch ein Text zur Entstehungsgeschichte der DAG sowie ausführliche Biografien der einzelnen Mitglieder und ein Regelwerk (s. u.).
Weiterentwicklung der Performance
Im neuen Schuljahr 2021/2022 geht es für die Kursteilnehmer:innen nun darum, ihre im Alleinsein gewonnenen Erkenntnisse in der DAG auszutauschen und zu überlegen, wie mensch in der realen Welt auf Missstände aufmerksam machen und Veränderungen wirksam anstoßen kann. Hierzu finden erste Aktionen im schulischen und halböffentlichen Raum statt: Im August 2021 kommen die Schüler:innen bei der KA.Gesellschaft Vol. 9: „Kulturelle Bildung nach Corona“ mit Schüler:innen und Berliner Bildungspolitiker:innen in den Austausch, beim schuleigenen Projekttag LITERATUR VERORTEN mit den eigenen Mitschüler:innen. Im Haus der Statistik findet Ende November 2021 die Performance als Prüfungsklausur vor einem ausgewählten Publikum von Kolleg:innen und Eltern in 1:1-Situationen zwischen Darsteller:innen und Zuschauer:innen statt: berührende, überwiegend non-verbale Begegnungen, die einen tiefen Einblick in die Erfahrungswelt der Jugendlichen gewähren.

Materialbox
Auszug aus dem Schlusschor der Performance:
Es war einmal vor mehreren Jahrhunderten –in einer anderen Zeit. Genauer gesagt im Mittelalter um das Jahr 1312, als Ritter in glänzend silberner Rüstung tapfer gegen das Dunkle kämpften. Einer von ihnen war der unscheinbare, aber dennoch mutige Bud von Weiser, welcher bereits zahlreiche Kriege hinter sich gebracht hatte. Eines Tages wurde ihm all das, was ihn umgab, zu viel. Er musste an einen anderen Ort. Einen Ort, an dem er allein war. Ganz allein für sich und ohne sich wieder einmal als ein tapferer Ritter beweisen zu müssen. Und was eignete sich dafür besser als eine alte und verlassene Berghöhle? Wochen und Monate vergingen und er bewegte sich immer zum gleichen Ort. Eines Tages vertraute sich ihm ein befreundeter Ritter an und sagte, er fühle sich durch sein Ritter-Dasein enorm gestresst und unter Druck gesetzt. Bud von Weiser überlegte... Sollte er ihm helfen und sein Geheimnis anvertrauen?  Sollte er ihn vielleicht sogar fragen, ob er ihn begleiten mag? Tagelang beschäftigten diese Fragen den doch so mutigen Bud von Weiser. Bis er sich schließlich dafür entschied, seinen Freund mit zu seinem geliebten Ort, der Berghöhle, mitzunehmen. Er stellte fest, dass es gemeinsam noch befreiender war. Sie waren zwar zusammen und eine Art Gemeinschaft, da sie dieses Geheimnis miteinander verbunden hatte, konnten jedoch trotzdem allein sein. Im Laufe der nächsten Jahre erfuhren immer mehr Ritter von diesem Ort und dem damit verbundenen Treffen zum Alleinsein. Die Treffen wurden für die Teilnehmer zu einer Art Ritual und jeder von ihnen empfand von Mal zu Mal ein immer größeres Gefühl von Erleichterung.
Regelwerk der DAG:
Regeln der DAG: 1. Diese Organisation steht unter höchster Geheimhaltung. 2. Interaktion mit anderen Mitglieder:innen sind strengstens verboten. 3. Das alleinige Wohlergehen steht an erster Stelle. Somit ist jegliche Ausdrucksweise oder Art und Weise, welche der persönlichen Entfaltung und dem Wohlfühlen dienen, erlaubt. Die menschlichen Grundrechte, Gesetze und Regeln der DAG müssen weiterhin berücksichtigt werden. 4. Sobald der Sinn der DAG erkannt wurde, wird um sofortiges Verlassen der DAG gebeten. 5. Der Organisator ist unter dem Anonym „Chairman“ bekannt. Dieser kann einzig und allein die Mitglieder:innen kontaktieren und nicht selber adressiert werden. 6. In der DAG müssen Begrüßungs- und Abschiedsfloskeln, welche Blickkontakt und optionales Lächeln in der DAG bedeuten, eingehalten werden. 7. Beim Verstoß des Regelwerkes der DAG erfolgt ein sofortiger Ausschuss aus der DAG. Wenn Sie mit den Regeln einverstanden sind, finden Sie am Montag um 12 Uhr im Café „Hinter der Ecke“ am Tisch 5 einen Umschlag mit weiteren Informationen für das nächste DAG-Treffen.
Es schrieb: Chairmen
Schüler:innen: DS-Kurs des 12. Jahrgangs
Performancekünstler:in: Franz-Josef Becker
Lehrer:in: Meike Schroether
Kulturagent:in: Karin Schreibeis, Meike Schroehter, Franz-Josef Becker

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